- Juli 27, 2020
- Lesedauer: 6 Minuten
Wer Elektrofahrzeuge im Fuhrpark nutzt, benötigt für die Nutzer auch eine Überprüfung der bisherigen Gefährdungsbeurteilung – und eine Anpassung der Fahrerunterweisung. Was Fuhrparkmanager darüber unbedingt wissen sollten und ob Schulungen notwendig sind, lesen Sie hier.
Gefährdungsbeurteilung und Unterweisung bei Elektrofahrzeugen: So geht’s
Elektrofahrzeuge sind im Straßenbild teilweise immer noch ein ungewohntes Bild. Weniger wegen ihres Aussehens, sondern deshalb, weil sie so leise sind, dass wir E-Autos nicht heranrauschen hören. Das ist aber nur ein Teilaspekt im Umgang mit den umweltfreundlichen Flitzern. Gerade in einem Fuhrpark ergeben sich durch die Anschaffung von Elektrofahrzeugen neue Aufgaben für die Verantwortlichen. Dazu zählen das Aufladen der Elektrofahrzeuge und die Installation geeigneter Ladeinfrastruktur auf dem Betriebsgelände. Zusätzlich erfordert die Nutzung durch die spezielle Betriebsanweisung für Elektrofahrzeugen eine Überprüfung und Anpassung der Gefährdungsbeurteilung für den Fuhrpark. Dieser Aspekt wiederum führt zu einer entsprechenden Anpassung der Fahrerunterweisung der Dienstwagennutzer von Elektromobilen.
Arbeitsschutz für Elektrofahrzeuge
Bislang gibt es keine Vorschrift, dass Lenker von Elektrofahrzeugen anders zu unterweisen wären als die Nutzer herkömmlicher Fahrzeuge. Deshalb gilt hier zunächst die allgemein gültigen Bestimmungen des Arbeitsschutzgesetzes und der Betriebssicherheitsverordnung zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung für Firmenfahrzeuge. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung für Elektroautos fließen – wie gewohnt –in die Fahrerunterweisung ein.
Die Gefährdungsbeurteilung
Gibt es bei E-Fahrzeugen spezifische Gefährdungen, die bei konventionellen Antriebsformen nicht auftreten? Das kommt ganz auf die Umstände an – und die hat der Fuhrparkleiter durch das Studieren der Betriebsanweisung der Elektrofahrzeuge zu ermitteln. Nach § 3 DGUV Vorschrift 1 muss der Unternehmer herausfinden, welche Schutzmaßnahmen erforderlich sind bezüglich der mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen entsprechend § 5 Abs. 2 und 3 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG).
Im Klartext: Gefährdungsbeurteilungen sind zu überprüfen und anzupassen, falls sich die betrieblichen Gegebenheiten durch das neue Risiko Elektromobilität gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren verändert haben. Die Ergebnisse der Gefährdungsbeurteilung fließen in die Fahrerunterweisung ein und bestimmen deren Inhalte.
Mit digitaler Unterweisung für Elektrofahrzeuge zu mehr Rechtssicherheit
Um die Fahrerunterweisung in die Elektrofahrzeuge rechtssicher durchzuführen hilft ein digitales Tool. Tools wie eine fuhrparksoftware unterweisen die Fahrer in die Fahrzeuge online. Die Fahrer führen die Prüfung dabei selbstständig am PC oder Smartphone durch. Der Fuhrparkleiter kann in der Fuhrparksoftware einsehen, welche Fahrer die Unterweisung bereits absolviert haben oder diese noch durchführen müssen. Der große Vorteil dabei ist, dass der Fuhrparkleiter sich nicht mit den Unterweisungsthemen auskennen muss.
Erklärvideo zur Gefährdungsbeurteilung und Fahrerunterweisung bei E-Mobilität
Diese Risiken sollten Sie für die Betriebsanweisung der Elektrofahrzeuge kennen
1. Fast geräuschlos
Wie bereits in der Einleitung beschrieben sind Elektrofahrzeuge aufgrund des lautlosen Elektroantriebs gar nicht oder nur spät zu hören. Fahrer sollten sich deshalb auf unerwartete Reaktionen von Fußgängern und Verkehrsteilnehmern einstellen und sich vor der ersten Fahrt mit der Betriebsanweisung des Elektrofahrzeugs vertraut machen. Seit dem 1. Juli 2019 müssen E-Fahrzeuge zum Schutz von Fußgängern bis zu einer Geschwindigkeit von 20 km/h Geräusche von sich geben. Das sogenannte AVAS (Acoustic Vehicle Alerting System) produziert die Geräusche, die unterschiedlich ausfallen können.
2. Gewichtsverteilung
Die im Unterboden verbauten Batterien der Fahrzeuge können das Verhalten des Fahrzeugs maßgeblich verändern. Bremswegen können länger, Kurvenfahrten schwieriger werden. Die meisten aktuellen E-Autos schaffen zwischen 150 und 350 Kilometer mit einer Batterieladung. Das macht sie bislang ideal für den Stadtverkehr. Mehr als 500 Kilometer erreichen derzeit nur Modelle von Premiummarken. Das deutsche Öko-Institut hat eine Beispielrechnung aufgestellt: Bei 9.000 Kilometern im Jahr und einer Nutzungsdauer von acht Jahren können die Gesamtkosten beim E-Auto günstiger sein als bei einem Fahrzeug mit herkömmlichem Antrieb.
3. Vorsicht bei Eco Modus
Die meisten Elektrofahrzeuge verfügen über einen stromsparenden „Eco“-Knopf. Das Problem: Beim Druck auf den Knopf wird das Elektrofahrzeug plötzlich langsamer. Nachfolgende Fahrzeuge könnten auffahren. Beim Einschalten des Eco-Modus beschleunigt der Wagen wiederum, und das Fahrzeug könnte mit dem Vordermann kollidieren.
4. Achtung Spannung
E-Fahrzeuge haben Spannungen bis zu 800 Volt. Fahrer sollten keineswegs an den orangefarbenen Leitungen des Hochvoltsystems herumfummeln und nur geprüfte Ladekabel benutzen. Sonst riskieren sie einen elektrischen Schlag. Zusätzlich sollte jeder Kontakt zu ausgelaufenem Elektrolyt vermeiden werden.
5. Unfälle können riskant sein
Erste Pflicht ist Unfallhelfer und Rettungskräfte auf den Elektroantrieb hinzuweisen. Die verbauten Lithium-Ionen-Batterien enthalten Materialien mit hochentzündlichen Elektrolyten. Es kann bei Deformation der Batterie zu Erhitzung und einem „thermal runaway“ mit Ausgasen und Brand der Zellen führen.
6. Lichtbogen und Stromschlag
Kommt man nach einem Unfall mit Hochvoltsystemen in Berührung kann dies durch Lichtbogeneinwirkung zum Stromschlag am menschlichen Körper führen. Lichtbögen entstehen z. B. bei Kurzschlüssen. Typische Unfallfolgen sind das Verblitzen der Augen durch starke UV-Strahlung sowie Verbrennungen 1. und 2. Grades der Haut. Deshalb sofort das Fahrzeug verlassen. Unter normalen Bedingungen geht bei Serienfahrzeugen von den verbauten Hochvolt-Komponenten keine elektrische Gefahr aus.
7. Im Brandfall
Lithium-Ionen-Energiespeicher sollten im Brandfall nur unter Atemschutz mit Spezialschaum gelöscht werden, wenn dies seitens der Herstellerfirmen nicht anders vorgegeben ist.
8. Sichtprüfung und richtige Schutzschalter
Auch Ladeeinrichtungen für Plug-in-Fahrzeuge müssen entweder mit einem FI-Schutzschalter (RCD) Typ B oder einem FI-Schutzschalter Typ A mit zusätzlicher Maßnahme zur Abschaltung bei DC-Gleichfehlerströmen geschützt sein. Ladestation sowie Ladekabel sollten keine erkennbaren Schäden aufweisen und in den Steckverbindungen darf sich kein Regenwasser befinden. Laufen beim Ladevorgang Elektroadapter heiß oder erhitzen sich Ladekabel stark, weist das auf einen Defekt hin und der Ladevorgang sollte unterbrochen werden.
9. Richtlinie einhalten
Beim Einsatz von Elektrofahrzeugen müssen Fuhrparkmanager beachten, dass die Ladekabel nebst Elektroadapter als bewegliche Arbeitsmittel durch Elektrofachkräfte auf Betriebssicherheit, Arbeitssicherheit und Verkehrssicherheit geprüft werden (Prüfungsgrundlage „ECE R 100“). Dem Nutzer eines Elektrofahrzeugs ist als technischem Laien ausschließlich eine Sichtprüfung auf eventuelle Defekte von E-Ladekabeln möglich.
Dokumentation der Unterweisung für Elektrofahrzeuge
Entsprechend § 6 Abs. 1 ArbSchG werden das Ergebnis der Gefährdungsbeurteilung für Elektrofahrezeuge, die festgelegten Maßnahmen und das Ergebnis ihrer Überprüfung dokumentiert. Weiterführende Informationen bieten die DGUV Information 200-005 „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“ sowie die FAQ-Liste der AG „Handlungsrahmen Elektromobilität“.
Rechtliche Anpassung der Fahrerunterweisung an die Gefährdungsbeurteilung
Die eigentliche Fahrerunterweisung hat dann nach den folgenden Regeln zu erfolgen:
- § 12 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), Unterweisung
- § 29 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG), Unterweisung über Gefahren, (mindestens halbjährliche Unterweisung)
- § 12 Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), Unterweisung und besondere Beauftragung von Beschäftigten
- § 4 DGUV Vorschrift 1 Grundsätze der Prävention, Unterweisung der Versicherten
- DGUV Vorschrift 70 Fahrzeuge
- Broschüre Sicherheitsbeurteilung Verkehrssicherheit 230.17 DP
- BG-Infoblatt Verkehrssicherheitsarbeit im Betrieb 375
Ganz wichtig: Jeder Fahrer eines Dienstwagens sollte grundsätzlich nur nach einer zusätzlichen Unterweisung auf den Elektroantrieb umsteigen dürfen. Alle Besonderheiten und Eigenheiten des Fahrverhaltens lernen Fahrer nur im Rahmen einer technischen Unterweisung kennen. Die Überprüfung der standardisierten Arbeitsanweisungen auf fachliche Richtigkeit obliegt dabei immer einer fachlich qualifizierten Person.
Auch Personen, die nicht direkt als FahrerInnen gelten, sollten auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch hingewiesen und zu eventuellen Besonderheiten unterwiesen werden. Die Unterweisung für Elektrofahrzeuge gilt demnach auch für Personen, die Servicearbeiten am Fahrzeug durchführen, welche elektrische Gefährdung denen von FahrerInnen ähnelt. Dazu gehören:
- Wechseln der Scheibenwischer
- Aufrüsten der Fahrzeuge
- Nutzung der Befüllanschlüsse (z.B Motoröl oder Kühlwasser)
- Nutzung von Bedienelementen oder Anschlüssen (z.B. Ladevorrichtung)
- Innen- und Außenreinigung des Fahrzeugs
Generell gilt es zu beachten, dass nicht nur FahrerInnen von einer unsachgemäßen Bedienung des Fahrzeugs gefährdet sein können, sondern auch weitere MitarbeiterInnen, die nicht unmittelbar am Steuer sitzen.
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Eine Antwort
Danke fuer den tollen Blog Beitrag!